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Protokoll – Frau Sila aus Eisenkappel, geb. 1923
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Typhusschein
Suchaufforderung-Hinweise
Ich war bei der Post angestellt, wurde überall eingesetzt und das
letzte Jahr – 1945 war ich in Eisenkappel. Ich dachte, dass mir nie
etwas passieren könnte, weil ich auch nie etwas Falsches tat. Ich
war jedoch vorher in Klagenfurt beschäftigt. Dort war bei der
Paketannahme auch eine Frau aus Eisenkappel beschäftigt, die mich,
wie ich später in Erfahrung brachte, stets verunglimpfte (ich würde
z.B. Privatgespräche führen), weswegen ich auch etliche Male zum
Chef zitiert wurde. Bald wurde ich nach Eisenkappel versetzt, dachte
eigentlich nicht mehr an das Geschehene und am 08. Mai wurden meine
Mutter und ich um ½ 4 Uhr Früh verhaftet.
Wir mussten alles zurücklassen und wurden ins Schloss gebracht, wo
auch schon andere Leute waren, darunter waren auch Partisanen. Nach
drei Tagen im Schloss kamen Engländer mit Panzern vorbei. Den
Engländern wurde versprochen, dass wir am nächsten Tag freigelassen
würden. Ohne weitere Fragen zu stellen, zogen die Engländer dann
weiter. Gegen 22.00 Uhr des gleichen Tages kam die Aufforderung:
„Auf, wir gehen nach Hause“. Es waren drei Lastautos mit Planen
bereitgestellt. Man pferchte uns in die Wägen, wie viele Personen
wir waren, kann ich nicht sagen, die Autos waren jedoch alle mit
Leuten vollgestopft. Mit den Lastwägen brachte man uns dann nach
Eberndorf. Von Eberndorf ging es nach Prevali (Prävali), von dort
wieder zurück nach Eberndorf, dann nach Bleiburg, dort wurden auch
Bleiburger verhaftet. Weiter, wieder nach Prevali und dann nach
Hirschenau. Wir waren insgesamt 3 Wochen unterwegs.
In Hirschenau waren wir nur einen Tag. Nachts um zirka zwei, drei
Uhr, kamen sie dann mit einer Kerze und lasen uns die Namen derer
vor, die auf der Liste rot unterstrichen waren. Es waren die Namen
jener Menschen, die schließlich im Lieschagraben umgebracht wurden.
Morgens wurden wir mit Wagen wieder nach Preverli gebracht, dort kam
auch die Familie Leitgeb zu uns dazu. Alle drei Personen der Familie
Leitgeb wiesen sich als Mitglieder der Österreichischen
Freiheitsbewegung aus. Der jüngste Leitgeb blieb bei uns und die
anderen beiden sind trotz ihres Ausweises direkt ins Marburger
Gefängnis gebracht worden. Dann wurden wir nach Gutenstein gebracht.
Nach zwei Tage schaffte man den Walter Leitgeb und eine Frau aus
Eisenkappel weg. Walter war krank und schwächlich. Später erfuhren
wir, dass die beiden im Wald umgebracht wurden. Das ganze spielte
sich so um den 25. Mai herum ab.
Wir wurden nach Sterntal gebracht. In Baracken, die für 16 bis 20
Personen vorgesehen waren wurden gleich 60 Personen gepfercht. Drei
Tage lang waren wir dort ohne Essen. Abends, gegen 23.00 Uhr wurden
überall die Balken geschlossen und danach hörten wir es nur noch
knallen. Meine Mutter schaute nach, was da vor sich ging und sah wie
die Partisanen mit einem langen Leiterwagen durch unsere
Barackengasse zurückkamen. Der Leiterwagen war vollgepfercht mit
erschossenen Männern. Gegen Morgen brachten sie nochmals eine Fuhre.
Wir hatten einen eigenen Kommissar und der sagte uns, wir kämen nach
Hause, wenn wir in Feldkirchen wären.
Es war furchtbar. In der Früh bekamen wir eine Kümmelsuppe
(lauwarmes Wasser mit Kümmel und lange Zeit 5 Deka Brot.) Erst im
Juli als die Engländer oder Amerikaner zur Kontrolle kamen, kriegten
wir Nudeln – einfach im Wasser gekocht und das war unser Essen.
Wie lange ward Ihr im Sterntal?
Ich weiß es nicht mehr genau, die Fahrscheine habe ich verlegt.
Einen Zettel habe ich noch gefunden, wegen Typhus haben wir einen
Ausweis bekommen.
Seid ihr gegen Typhus behandelt worden?
Ich glaube wir sind geimpft worden – ich weiß es nicht ganz genau.
Wie war damals in Sterntal der Tagesablauf?
Wir haben nichts zu Essen gehabt, mussten den ganzen Tag hinaus. Da
war so eine Waschanlage aus der immer schwarzer Rauch herauskam.
Dort mussten wir stehen, bis fünf Uhr abends, erst dann wurden wir
wieder ins Lager getrieben. Wenn einer zusammenbrach wurde er
weggetragen, was mit dem passierte, weiß ich nicht.
Geschah dass Tag für Tag?
Nein, sie erfanden immer wieder andere Strafen. Wenn wir zum
Beispiel zu spät aufstanden. Einmal musste ich 10 mal um die Baracke
laufen – so gut ich eben konnte. Nach der sechsten Runde bin ich
zusammengebrochen. Oft wurden zwischen zwei Baracken kreuz und quer
Stricke gespannt und da mussten dann die Männer drüberspringen. Und
wenn einer nicht mehr konnte, wurde er geschlagen. Ein junger Grazer
Student, ein Ingenieur, der schaffte es nicht und der wurde
daraufhin erschlagen. In der Nacht hatten wir keine Ruhe, wir
mussten aufstehen und uns versammeln. Auf einem Turm standen Männer
mit Maschinenpistolen, rundherum standen wir.
Hat man Ihnen nie gesagt warum Sie dort sein mussten?
Nein, einer fragte uns sogar einmal, warum wir überhaupt da seien.
Wir sagten wir wüssten es nicht. In Eisenkappel sind Listen
aufgestellt worden.
Wer hat diese Liste gemacht?
Na ja es kam heraus, dass die Arbeitskollegin vom Postamt in
Klagenfurt, von der ich Anfangs erzählte dafür verantwortlich war.
Was waren das für Leute, die diese Liste erstellt haben?
Ich will nicht haben, dass das von mir ausgeht.
Wir werden keine Namen erwähnen – das brauchen wir nicht!
Slowenische Nachbarinnen von uns halt, zwei leben heute noch. Die
kamen halt im Wald zusammen, und wer ihnen nicht passte, kam auf die
Liste.
Was haben diese Frauen im Wald gemacht?
Sie haben halt Partisanen gebraucht, weil im Dorf keine Männer zu
kriegen waren.
Wie ging es im Sterntal weiter?
Meine Mutter knüpfte immer wieder Beziehungen, damit sie etwas
erfährt. Und da war eine junge Wienerin, die war beim Arbeitsdienst
und die kam und sagte:„Frau Sila, euer Kommissar hat jetzt Urlaub.
Gehen sie hin, sagen sie aber nicht, dass sie aus Kärnten sind.
Meine Mutter trommelte gleich alle zusammen und es kamen gleich 12
Leute zusammen.
Wir gingen dann hin, da saßen ein junger Bursch und ein junges
Mädchen aus Laibach. Die fragten uns nach unseren Namen erkundigten
sich aber nicht, was vorher schon von uns aufgenommen wurde. „Von wo
kommen Sie“, fragte man uns. Wir antworteten „aus der
Steiermark“ und bekamen daraufhin unsere Fahrscheine. Danach gingen
wir zu einem Platz, wo schon viele Menschen waren und dort warteten
wir den ganzen Tag. Abends wurden wir dann südlich von Cilli am
Verschiebebahnhof in Kohlewaggons verfrachtet und in der Nacht
lieferte man uns weiter. Zuerst bis Laibach, da standen wir den
ganzen Tag. Von Laibach kamen wir dann nach Assling und dort war
ebenfalls ein großer Verschiebebahnhof. Dort wurde gerade ein Fest
der Befreiung gefeiert und da brachten sie uns bis vier Uhr Früh in
einen Vereinssaal.
Danach wieder in die Kohlewaggons und langes Warten. Und endlich,
nach fast endloser Warterei ist der Zug weitergerollt und wir
landeten in Rosenbach. In Rosenbach waren die Engländer, die
kümmerten sich überhaupt nicht um uns. Abends brachten sie uns nach
Villach. In Villach half uns dann der Bäckermeister Bieber, er war
unser Nachbar in Eisenkappel. Er half uns, nach Klagenfurt zu kommen
und dann waren wir gerettet.
Wusstet Ihr schon früher, dass die Partisanen kommen, hattet Ihr
Angst, dachte niemand daran vorher wegzugehen?
Keine Antwort.
Meine Mutter, sie war eine agile Geschäftsfrau, tat immer nur Gutes.
Für die Bevölkerung aus den Gräben, es waren so viele Mensch, für
die hat meine Mutter immer etwas gehabt. Ich war die meiste Zeit in
Jugoslawien auf der Post, war einmal da und einmal dort. In
Rattmannsdorf war ich einmal eine Zeit, da war auch alles
ausgesiedelt. Da schickte man mich auch beinahe nach Dachau, weil
ich für die Leute gesprochen habe. Ich glaube ich war damals zu dumm
um zu verstehen. Ich war eine politische Null. Ich war damals auch
bei keiner Partei, ich hatte ja nie Zeit für so was.
Die Leute, die diese Liste machten, die sind ja auf der Seite der
Partisanen und Jugoslawen gestanden?
Ja sicher, es ist noch heute alles lebendig, der eine weiß vom
anderen, was er ihm angetan hat.
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